Hallo zusammen,

in Teil 1 „Über die Ursachenforschung“ habe ich die Frage gestellt, ob die Erkenntnis über die Ursache einer Störung eine Heilung bzw. Linderung eher verhindert als fördert? Dazu habe ich verschiedene Therapieformen kurz beschrieben. Dabei haben wir gesehen, dass die verschiedenen Therapien mal mehr und mal weniger Wert auf die Ursachen legen.

In der Therapie kommt es immer wieder vor, dass Patienten sagen: „Jetzt weiß ich woher es kommt, aber was nützt mir das“? Vollkommen richtig, ohne Lösungsansatz bringt das nicht viel.

Schauen wir uns ein paar Beispiele an:

Bei einer Patientin, brachte die Erinnerung an ein frühkindliches Ereignis und der Zusammenhang mit ihren akuten Schmerzanfällen eine wesentliche Besserung. Auch ihr destruktives Verhalten bekam auf einmal einen Sinn, so dass sie selber immer öfter erkannte, dass sie sich „gerade wie früher fühle und auch so benehme“.

Ein weiterer Patient mit langjähriger therapeutischer Erfahrung, analysierte sich selbst in der Therapie und brachte seine aktuellen Denk- und Verhaltensweisen von sich aus mit seiner Erziehung in Verbindung.

Interessant dabei ist jedoch, dass sich trotz der Erkenntnisse über die frühkindlichen Zusammenhänge immer wieder Rückfälle in alte dysfunktionale Denk- und Verhaltensweisen ergaben. Erst durch erstellen und üben von zielgerichteten Handlungen und Verhaltensweisen, Wahrnehmungsübungen, Wahrnehmung von Emotionen und deren körperliche Auswirkungen, Wiederaufnahme von geliebten Tätigkeiten, Trennung von negativ einwirkendem sozialen Umfeld usw. ergab sich wieder eine Handlungsfähigkeit.

In zwei weiteren Fällen wurde die Erfahrung gemacht, dass nach einigen Sitzung in denen sich eine wesentliche Verbesserung der Symptome ergaben, die Symptome sich wieder verstärkt zeigten, nachdem die bewussten möglichen Ursachen und die Entstehung in der Kindheit besprochen wurden. Erst nachdem die Handlungsmöglichkeiten in der Gegenwart erneut trainiert wurden, kam es wieder zu einer Verbesserung. Durch das bewusst werden vergangener Ereignisse bzw. der Ursachen die für die Entstehung von dysfunktionaler Glaubenssätze (negatives Denken), kognitiver Dissonanzen (unangenehme Gefühle aufgrund mentaler Prozesse), negativer Bewältigungsmechanismen usw.  verantwortlich sind, kann eine Reaktivierung der Symptome hervorgerufen werden (s.a. Retraumatisierung).

Gibt es ein initialisierendes Ereignis (=wo alles begonnen hat) und wird dieses bewusst gemacht und mit positiver Denk- und Handlungsfähigkeit verarbeitet, kann dies wiederum zu einer Lösung führen (ein häufig angestrebtes Ziel in der Hypno- und/oder Traumatherapie).

Wenn die Ursachen und die Entstehung einer Störung nicht absolut erkannt werden bzw. bekannt sind (durch ein prägendes Ereignis, eine bestimmte Erfahrung usw.) können viele Möglichkeiten für die Entstehung zur Verfügung stehen.

Dazu gehören u.a. persönliche Eigenschaften, Genetik, Lerntheorie, Erfahrungen mit den Eltern, Geschwistern, Bindungstheorie, Lehrer, Mitschüler, Medien usw. Hier jetzt eine einzige ursächliche Begründung zu finden, oder fast schon zu „erfinden“ ist so gut wie unmöglich und vielleicht auch unnötig.

Und wenn es gänzlich falsch läuft besteht sogar die Möglichkeit, den Patienten falsche Ursachen, unwahre Begebenheiten einzureden, was in verschiedenen Studien bewiesen wurde. In diesem Zusammenhang kenne ich den Begriff „False Cause of Regression“ also eine falsche Ursache in der Kindheit oder Vergangenheit.

Dazu empfehle ich folgenden Link: Ein Trauma das es nie gab. https://www.spektrum.de/news/kann-eine-psychotherapie-falsche-erinnerungen-ausloesen/1789766

Zum Abschluss möchte ich noch einige Zeilen aus einem Buch erwähnen, welches 1978 erstmalig erschienen ist. Dabei muss man beachten, dass Aussagen aus alten Büchern mit Vorsicht zu genießen sind, da sich in der Zwischenzeit viel geändert hat. Auch wissen wir nicht, wie Therapeuten die damals zu Wort kamen, heute über Fachthemen denken und sprechen würden.

Das Buch heißt „Die Psychotherapie Milton H. Ericksons“ von Jay Haley.

Milton Erickson war und ist wohl einer der, wenn nicht sogar „der“ berühmteste Hypnotherapeut. Hier steht geschrieben, dass seine Arbeit die Idee impliziert, dass ein Therapeut, der seinen Klienten zu verstehen hilft, „warum“ sie sich so und nicht anders verhalten, eine eigentliche therapeutische Veränderung verhindert. Weiter steht zu lesen: Er beschäftigte sich nicht damit Klienten zu helfen sich bewusst zu werden, warum sie sich so und nicht anders verhielten……..sondern wie therapeutische Veränderung herbeizuführen sei. Erickson mache keine Übertragungsinterpretationen……..und ein Symptom nur geheilt werden kann, wenn eine grundlegende Veränderung in der sozialen Situation erreicht wird.

Jedoch, in dem Buch „Hypnotherapie“ (Erickson/Ernest L. Rossi) wird u.a. ein Fall beschrieben, in dem Erickson sehr wohl nach der Ursache einer Angststörung sucht und sich eine Lösung bei der Patientin ergibt, als sie sich in einer hypnotischen Sitzung der Entstehung bewusst wird, diese analysiert und zu beschreiben beginnt.

Es geht also hin und her.

Wie gesagt, das Geschriebene in den gerade erwähnten Büchern ist lange her und egal wer, wie, was behandelt, sofort gibt es Kritiker die es wieder anders machen würden.

Irgendwo habe ich mal folgendes gelesen: Frage 10 Therapeuten wie sie ihre erste Sitzung gestalten würden und du erhältst 10 verschiedene Antworten.

Die verschiedenen Therapieformen haben sich weiterentwickelt, auch die Patienten von heute sind im Jahre 2022 anders…..oder?

Die Frage über die Ursachenforschung ist also in ein paar Zeilen nicht so einfach zu beantworten. Dazu soll dieser Blog auch gar nicht dienen. Es ist lediglich ein Anstoß, ein Gedanke, eine Idee die anregen soll zum forschen, austauschen und miteinander diskutieren.

In diesem Sinne beende ich diesen Text wie üblich mit den Worten:

Ich bedanke mich bei Euch, für eure Geduld und euer Interesse beim Lesen und wünsche euch fröhliches, erfolgreiches und herzliches Schaffen. Habt Spaß und Freude an euren Ideen, seit kreativ und genießt euer Leben.

Euer Therapeut

Markus Schuster