Hallo zusammen,
heute möchte ich mal möglichst einfach und verständlich die Vorgänge in unserem Gehirn beschreiben, die bei der Entstehung und Aufrechterhaltung von Ängsten eine wichtige Rolle einnehmen.
Und los geht´s.
Jeder von uns hat schon einmal eine Angsterfahrung gemacht (außer die Übermenschen natürlich), hat sich erschrocken und eventuell danach festgestellt, dass sich die Angst nicht mehr so leicht beseitigen lässt und sich in ähnlichen Situationen immer wieder zeigt.
Die Folgen sind zum einen körperliche Symptome wie Herzklopfen, Atemnot, Zittern, Schwitzen usw., aber auch Verhaltensreaktionen wie Vermeidung, Flucht oder Erstarrung.
Eine der wichtigsten Gehirnstrukturen die bei der Angst beteiligt sind, ist die Amygdala (Mandelkern) die Teil des limbischen Systems ist (Zwischenhirn, Diencephalon, Sitz unseres Gemüts, psychosomatische Umschaltstelle, Affekt u. Triebverhalten) und zusammen mit dem Hippocampus die emotionalen Reaktionen regelt. Dann haben wir noch den Teil des Zwischenhirns der sich Thalamus nennt (das Tor zum Bewusstsein, Zentrum von Gefühlsregungen). Puh, soviel Gehirn, aber weiter.
Nehmen wir als Beispiel „die Spinne“ (natürlich kann auch jedes andere angstbesetzte Objekt oder Situation genannt werden).
Unsere Augen nehmen eine Spinne wahr und melden es dem Thalamus.
Der Thalamus erkennt die Spinne, informiert die Amygdala und diese versetzt uns in Alarmbereitschaft. Gleichzeit sendet der Thalamus noch Informationen an die Hirnrinde, den Cortex (der General). Hier wird nun geprüft ob die Spinne eine Gefahr darstellt und ob der Körper fliehen oder sich verteidigen muss. Bei Gefahr reagiert das Gehirn entsprechend mit der Ausschüttung von Nervenbotenstoffen (u.a. Dopamin, Serotonin, Acetylcholin, Norepinephrin) und der Körper schüttet Stresshormone aus (das Nebennierenmark produziert Adrenalin, die Nebennierenrinde Cortisol). Dies wiederum steigert die Herzfrequenz, den Blutdruck, die Muskelspannung usw. was ebenfalls als Gefahr wahrgenommen wird (sogenannter Angstkreislauf).
Die Ausschüttung der Stresshormone wird wiederum von der Amygdala registriert, mit Erinnerungen abgeglichen (Bsp.: Ist schon mal etwas in Verbindung mit einer Spinne passiert? Schreiende Mutter oder selber erschrocken und zusammengezuckt?) und wenn am Ende der Bewertung „Gefahr“ signalisiert wird, entsteht Angst und Angstreaktion.
Die schnelle Verbindung zwischen Thalamus und Amygdala, hat den Vorteil, dass wir bei Gefahr sehr schnell reagieren können. Der Neurowissenschaftler LeDoux (New York University) bezeichnet dies als „quick and dirty“ (schnell und schmutzig). Leider können wir auch regelmäßig überreagieren. So reicht dann nur ein Schattenfleck, ein Blatt das vom Wind bewegt wird oder eine Staubmulle (Staubmaus, Fussel) und schon zucken wir zusammen (wer kennt das nicht, zuhause auf der Couch, aus dem Augenwinkel bewegt sich was und peng – schon stehen wir kerzengerade wie eine Eins im Zimmer, mit einem Aufschrei, kampfbereit…).
Es gibt auch den langen, vernünftigen, bewussten Weg (LeDoux „high road“).
Da gelangen die Informationen vom Thalamus, in den Cortex u. den Hippocampus, werden dort analysiert, bevor sie die Amygdala erreichen. Dieser Weg dauert aber doppelt so lang wie auf dem direkten Weg vom Thalamus zur Amygdala.
Am Ende sieht es vereinfacht so aus:
Auge sieht Spinne->Amygdala->Stressreaktion->Panik.
Wir könnten vereinfacht sagen, die Amygdala ist unsere Security, unser Sicherheitsexperte und reagiert auf alles was nur einer Spinne ähnlich sieht.
Am Ende reicht nur der Gedanke an besagte Spinne und schon fröstelt es uns, wir ekeln uns.
„Wenn ich nur daran denke“ lautet dann oft die Aussage von Patienten.
Durch dementsprechendes Folgeverhalten (Verstärkung, Vermeidung, Konditionierung etc.) werden wir immer empfindlicher. Reagieren überängstlich, bis zu dem Punkt wo wir uns gewisse Dinge gar nicht mehr trauen.
Sicher ist die Spinne nur ein harmloses Beispiel. Auslöser für zukünftige Angstanfälle kann alles sein was wir mit unserer Angst in Verbindung bringen.
Dazu gehören u.a. Geräusche, Gerüche, Situationen, Dinge (z.B. Spritze, Blut) usw.
Oft können wir nicht mehr unterscheiden zwischen realer und eingebildeter Angst.
Subjektiv betrachtet, fühlt sich jedes Angstgefühl, ob real oder unreal, einfach unangenehm an.
Um aus diesem Angstkreislauf herauszukommen, ist eine Therapie oft der einzige Weg.
Wobei sich das Wort „Therapie“ sehr unglücklich anhört, da die Allgemeinheit Therapie leider viel zu oft mit „verrückt“ in Verbindung bringt.
Ich betrachte Therapie als eine Form der Behandlung, in der ich Bewältigungsmechanismen vermitteln kann, Möglichkeiten mit der Angst zurechtzukommen.
Therapie heißt nicht heilen im Sinne von nie mehr Angst haben (was unrealistisch wäre), sondern einen Weg finden, die Angst zu bewältigen, Situationen trotz Angst zu überwinden.
Irgendwann habe ich mal den Satz gehört: „Mut bedeutet, Angst zu haben und es trotzdem zu tun.“ Und genau das versuche ich in meiner Therapie zu vermitteln.
So weit so gut. Natürlich sind jetzt noch viele Fragen offen.
Wie kommt es zur Angst aus verhaltenstherapeutischer Sicht?
Was ist das Reiz-Reaktions-Schema?
Wie hält sich Angst aufrecht und verstärkt sich?
Wie sind die Herangehensweisen in den verschiedenen therapeutischen Richtungen?
usw.
Aber dafür ist ja noch Zeit und Platz in weiteren Blogbeiträgen.
Ich bedanke mich für eure Aufmerksamkeit, für eure Zeit und euer Interesse
und wünsche ich euch fröhliches, erfolgreiches, freudiges und herzliches Schaffen. Habt Spaß und Freude an euren Ideen, seit kreativ und genießt euer Leben.
Euer Therapeut
Markus Schuster
Literaturverzeichnis:
dasgehirn.info/denken/emotion/der-schaltkreis-der-angst
netdoktor.de/anatomie/gehirn/amygdala/
Joseph E. LeDeux ; Neurowissenschaft
Dr.Dr.Reiner Beck; Neuropsychologie-Angststörung
ZfN „Das Nervensystem“