Über das Hundehalterverhaltenstraining (Teil 3: Lösungsansätze/Verhaltenstraining)

Hallo zusammen,

falls Ihr Teil 1 und 2 zum Hundehaltertraining nicht gelesen habt, empfehle ich euch die beiden Berichte zuerst zu lesen. Hier die dazugehörigen Links:

Teil 1: https://www.psychotherapie-schuster.de/ueber-das-hundehaltertraining-teil-1-psychologische-erlaeuterungen/

Teil 2: https://www.psychotherapie-schuster.de/ueber-das-hundehaltertraining-teil-2-beispiele-aus-dem-alltag/

Teil 3: Lösungsansätze

Kommen wir jetzt zu den verschiedenen Handlungsmöglichkeiten aus dem Hundehaltertraining. Selbstverständlich kann hier nicht das gesamte Programm mit allen Einzelheiten erklärt werden, da dies zu ausführlich wäre. Deshalb betrachten wir uns nur stichpunktartig die einzelnen Phasen.

Bitte beachten Sie, dass wenn sie die in Kurzform beschriebenen Methoden selbst anwenden, dies auf eigene Gefahr und Verantwortung tun.

Basis des Hundehaltertrainings sind mentale Suggestionsübungen (Selbstbeeinflussung), Zielvisualisierung, Konzentrationsübungen (tief entspannter konzentrierter Wachzustand), das gedankliche Durchspielen von Handlungsabläufen, die das Ziel haben, eine verbesserte Leistung in verschiedenen Bereichen zu bewirken.

Wie möchte ich mich in einer bestimmten Situation verhalten?

Wie lauten meine Ziele in der vorgestellten Situation?

Wie und wo kann ich mich verbessern?

Optimaler Ablauf innerhalb eines Ereignisses in Bezug auf Wahrnehmung, soziale u. emotionale Kompetenz, Belastbarkeit, Selbstbewusstsein, mentale Stärke, Wohlbefinden, Sprache, Ausdrucksweise, Emotionen, Gestik, Verhalten etc.

Durch die mentale (geistige) Vorstellung einer Situation und meinem bestmöglichen Verhalten „erschaffe“ ich in meinem Gehirn die Möglichkeit eines optimalen Ablaufs innerhalb meiner bestehenden Möglichkeiten.

Über die Wirkung von mentaler Vorstellung, wie sie z.B. häufig im Profisport angewandt werden, gibt es zahlreiche Studien.

Studie von  Pascual-Leone und Kollegen (1995):

Die Studienteilnehmer, von denen keiner Klavier spielen konnte, mussten eine einfache Melodie am Klavier lernen. Bei dieser einfachen Tonfolge mussten sie alle fünf Finger einer Hand nacheinander einsetzen. Nachdem sie die Melodie gelernt hatten, wurden sie nach dem Zufallsprinzip in drei Gruppen unterteilt.

Die Praxis-Gruppe musste die gelernte Melodie fünf Tage je zwei Stunden am Klavier üben.

Die Mental-Trainings-Gruppe trainierte die Tonfolge nur mental und stellte sich dabei die Melodie vor.

Die Kontrollgruppe hat überhaupt nicht trainiert. Weder mental noch praktisch.

Bei den Probanden wurde während der Trainingsphase mittels transkranieller Magnetstimulation (TMS) gemessen, wie sich die entsprechende Hirnregion über die fünf Tage veränderten. Was sich dabei zeigte, ist mehr als beeindruckend. Bei den beiden Trainingsgruppen (Praxis-und Mental-Training-Gruppe) vergrösserte sich die entsprechende Hirnregion der benutzten Hand. Bei den Studienteilnehmern der Kontrollgruppe zeigte sich keine Veränderung im Gehirn. Nach der Messung mussten die Probanden der Mental-Trainings-Gruppe die Melodie real am Klavier spielen. Das Ergebnis entsprach zwar nicht demjenigen der Praxisgruppe, doch sie erreichten auf Anhieb und ohne zu üben das Niveau der Praxisgruppe vom dritten Tag.

Nach nur zwei Stunden praktischem Üben hatte die Mental-Trainings-Gruppe das Niveau der Praxisgruppe vom fünften Tag erreicht.

 

Das Hundehaltertraining

Atmung, Entspannung, Zielvisualisierung u. Konzentrationsübungen:

Phase 1; Ziele benennen und richtig formulieren:

Wenn ich Patienten frage was sie ändern möchten, dann lautet die Antwort meistens wie folgt:

„Ich möchte nicht so verkrampft sein.“

„Ich möchte nicht mehr so ängstlich sein.“

„Ich möchte nicht so viel nachdenken was passieren könnte.“

usw.

Im ersten Moment ist es vollkommen natürlich das zu sagen was wir nicht mehr möchten. Dennoch ist es wichtig die Ziele positiv zu formulieren.

„Ich möchte entspannt sein.“

-> Noch besser formuliert: „Ich werde in Zukunft entspannt sein.“

„Ich werde beim Gassi gehen mit meinem Hund selbstsicher und positiv gestimmt sein.“

„Ich werde mich auf meinen Hund und mich konzentrieren.“

usw.

Unser inneres Ich wird wie von selbst Zweifel haben ob das so funktionieren kann. Wir erinnern uns? (Kapitel 2…Das Gehirn sammelt unermüdlich Gegenargumente…)

Und sicherlich kommt sofort ein „…ja aber“, was natürlich und auch berechtigt ist. Aber darauf wird in einer späteren Phase eingegangen.

Phase 2; Die Ziele genau beschreiben:

Ich nenne diesen Schritt „das Haus füllen“. Ich möchte entspannt sein ist ein schöner Vorsatz, aber genau genommen sind es nur Worte. Meine Frage lautet also:

„Was bedeutet es für dich entspannt zu sein?“

„Wie fühlt sich Entspannung für dich an?“

„Was bedeutet es für dich, mit deinem Hund selbstsicher und positiv spazieren zu gehen?“

Mögliche Antworten auf die Frage „Wie fühlt sich Entspannung für dich an?“ wären z.B.:

„Ich habe ein entspanntes Gesicht, ich lächle, meine Schultern sind locker“ usw.

Dadurch dass wir die Ziele genauer beschreiben bekommen wir eine viel intensivere Vorstellung davon, was wir wirklich erreichen wollen und wie es aussehen soll.

Phase 3; Betrachtung von Außen (Verdeckte Wahrnehmung):

Dafür gibt es verschiedene Möglichkeiten. Nehmen wir als Beispiel „Ich möchte entspannt sein beim Gassi gehen“.

Stell dir mal vor, du würdest dich beim Gassi gehen von oben betrachten, wie mit einer Drohne. Stell dir vor du bist vollkommen entspannt, ruhig, selbstsicher. Wie schaust du aus, voran erkennst du das du entspannt bist? Beschreibe dich.

Eine andere Möglichkeit wäre, sich vorzustellen wie dein entspanntes Ich 20 Meter von dir entfernt steht und mit deinem Hund auf dich zukommt. Was fällt dir auf, woran erkennst du das dein entgegenkommendes Ich entspannt und selbstsicher ist? Welche Gerüche nimmst du wahr? Was kannst du spüren (Wind, Sonne, Regen)?

Das Ziel besteht darin, ein tatsächliches, Bild von sich selbst zu erschaffen, damit das Gehirn auch weiß, was wir von uns erwarten, wie entspanntes Gassi gehen aussehen soll.

Dabei ist es bei den visuellen (bildlichen) Vorstellungen gar nicht so wichtig, ob es tatsächlich gelingt die Situation klar und deutlich vor eigenen Augen zu sehen. Manchen Menschen fällt die bildliche Vorstellung sehr schwer. Wichtig ist nur eine Vorstellung zu bekommen, wie das was ich erreichen möchte aussehen sollte. Unabhängig ob ich es tatsächlich so vor mir sehe. Allein das ich versuche mir etwas vorzustellen, reicht meinem Bewusstsein aus, um eine Idee zu bekommen was ich erreichen möchte. Dabei spielt es keine Rolle ob das vorgestellte Bild klar und deutlich vor mir zu sehen ist, nur verschwommen oder eben nur als Gedanke vorhanden ist. Dies gilt für alle Übungen in denen visuelle Vorstellungen eingesetzt werden.

Phase 4; Betrachtung von Innen (Ideomotorische Wahrnehmung):

Stell dir vor, dein entspanntes Ich kommt ganz nah an dich ran, du wirst zu deinem entspannten Ich. Hier besteht das Ziel darin, sich nicht nur zu betrachten, sondern auch zu erfahren wie es sich anfühlt, tatsächlich entspannt zu sein.

Und wenn die Entspannung fühlbar ist, sich vorzustellen, auf diese Art und Weise mit dem Hund spazieren zu gehen. An anderen Hunden vorbeizugehen usw.

Phase 5; Die Plakatwand:

Stell dir mal vor, du könntest dein entspanntes Ich, dein handlungsfähiges Ich auf eine Plakatwand projizieren (natürlich kann das auch eine Leinwand sein, oder eine Hausmauer, eine vorbeifahrende Straßenbahn usw.).

Wie würdest du auf dieser Plakatwand aussehen? Welche Farbe hat das Plakat? Wie siehst du aus?

Und was wäre, wenn du deine entspannte Stimmung in einem Wort oder Satz beschreiben könntest (sog. Selbstverbalisation). Und dieses Wort, dieser Satz steht mit auf der Plakatwand. Welche Farbe hat die Schrift?

Die Plakatwand soll ein sogenannter Anker sein. Wann immer es zu einer Hundebegegnungssituation kommt, hast du sofort deine Plakatwand vor dir. Dies ist ein Trigger (Auslöser) für dich, sofort so zu reagieren wie du es geübt hast. Ohne lange nachzudenken, alles läuft wie von selbst ab. Die Vorstellung von Außen, von Innen, Atmung, Entspannungsübung usw.

Phase 6; Entkatastrophisieren:

Jede Situation hat einen bestmöglichen, einen schlimmsten oder einen wahrscheinlichsten Ablauf. Wie kannst du den schlimmsten Fall verhindern? Wie möchtest du in der schlimmsten Situation reagieren? Stell dir vor, wie alles um dich herum tobt, dein und andere Hunde bellen, knurren, ziehen an der Leine, aber du bleibst ruhig und besonnen. Wie möchtest du dich sehen? Wie möchtest du reagieren? Wie kannst du dein Wissen einsetzen?

Was kannst du tun, dass die Situation, Begegnung mit anderen Hunden usw. bestmöglich abläuft?

Was wird das Wahrscheinlichste sein? Und wie kannst du dich darauf vorbereiten? Wie möchtest du dich sehen? Was möchtest du tun?

Auch hier soll wieder eine Vorstellung geübt werden, in den jeweiligen Situationen auf die bestmögliche Art zu reagieren.

Mein Verstand braucht ein Bild wie ich die Situationen meistern werde.

Phase 7; Zweifel, Hindernisse:

Welche Hindernisse ergeben sich im Alltag? Wie sollen diese Hindernisse bewältigt werden? Welche Gedanken halten dich zurück dein Ziel zu erreichen? Was hat nicht so funktioniert wie erwartet und weshalb? Zurück zu Phase 1.

Phase 8: Atmung, PME (Progressive Muskelentspannung) und körperliche Wahrnehmung:

Die Phase 8 ist eigentlich keine für sich eigenständige Phase. Vor allem nicht an achter Stelle! Atemübungen, PME, und körperliche Wahrnehmungen werden in jeder Phase eingesetzt. Es ist wichtig immer wieder nachzufragen, wie es sich anfühlt (z.B. Phase 3; Betrachtung von Außen) sich entspannt zu sehen. Wie fühlt es sich an? Wo spürst du etwas? Was verändert sich? Welche körperliche Wahrnehmung spürst du, wenn du dich entspannt vorstellst, wenn du entspannst bist usw.? Und falls du eine Verspannung spürst, wende Atmung und PME an um diese Verspannung zu verändern.

Zusammen mit den verschiedenen Phasen, werden durch die Entspannungs- und Vorstellungsübungen, die nicht hilfreichen Gedanken verändert (was alles passieren könnte) und neu programmiert (sog. KUS; Kognitive Umstrukturierung), so dass es zu einer positiven Neuformulierung der alten Bewertung kommen kann.

Schlusswort:

Zum Ende möchte ich noch hinzufügen, dass jeder seine eigenen Methoden hat seine Ziele zu erreichen. Auch ist mir bewusst, dass ich das Rad nicht neu erfinde. Atemübungen, PME, Vorstellungs- und Konzentrationsübungen etc. sind nicht erst gestern oder heute entstanden.

Dennoch unterschätzen wir leider viel zu häufig die Wirkung der mentalen Vorstellungkraft und was wir mit mentalen Übungen alles erreichen und verändern können, unabhängig ob als Sportler, beim Gassi gehen mit dem Hund, in Prüfungssituationen, bei Angststörungen usw.

Als Beispiel sei hier nur die Analgesie (Unterdrückung der Schmerzempfindung) durch Konzentrationsübungen (durch Vorstellungsübungen, Hypnose etc.) erwähnt.

Sehr oft höre ich bei den Atemübungen und PME, den Ausspruch „Das kenne ich schon“. Scherzhaft sage ich dann meist „Jeder kennt es, keiner macht es“.

Wissen und Anwendung sind zwei unterschiedliche Dinge. Frei nach Goethe:

„Es reicht nicht etwas zu wissen, man muss es auch anwenden.“

Unterschätzen Sie bitte nicht die Kraft und Macht Ihrer Gedanken.

Wer denkt, dass er es nicht kann, wird es wahrscheinlich auch nicht können.

Sämtliche Übungen aus dem Hundehaltertraining werden in vivo (am lebenden Objekt, in der Realität), also im Alltag, zusammen mit Hundebesitzer und Hund angewendet und geübt. Wenn Sie nicht nur mit Ihrem Hund trainieren möchten, sondern auch an sich etwas  verändern und verbessern wollen, dann sollten Sie es tun.

Bei Interesse kontaktieren Sie mich https://www.psychotherapie-schuster.de/ oder die Augsburger Hundeschule von Markus Ziegler https://www.augsburger-hundeschule.com/.

Ich bedanke mich für euer Interesse beim Lesen und wünsche euch fröhliches, erfolgreiches und herzliches Schaffen. Habt Spaß und Freude an euren Ideen, seit kreativ und genießt euer Leben.

Euer Therapeut

Markus Schuster