Hallo zusammen,

wie oft haben wir uns vorgenommen etwas zu ändern und machen es dennoch nicht?

Wie oft möchten wir etwas beginnen und schieben es auf?

Wir möchten vielleicht unser Essverhalten umstellen, mehr Sport machen, etwas Neues lernen, die Steuererklärung endlich fertig stellen, in der Beziehung etwas ändern usw. Die Liste kann individuell verschieden sein. Die Gemeinsamkeit liegt darin, dass wir etwas tun wollen, aber es dennoch nicht durchziehen, es nicht umsetzen, dass wir Schwierigkeiten haben es endlich zu beginnen.

Die Macht der Gewohnheit, heißt es dann.

Versteht mich richtig, grundsätzlich ist es durchaus wichtig, dass gewisse Handlungen, Tätigkeiten, Routinen (regelmäßige Wiederholungen) zur Gewohnheit werden, also automatisiert und unbewusst ablaufen. Das spart Zeit und Energie. In diesem Blog soll es um die störenden, nicht hilfreichen Gewohnheiten gehen.

Aber weshalb ist das eigentlich so? Eine einfache Frage mit einer eigentlich einfachen Antwort, oder?

Volksmund: Weil wir es so kennen. Weil wir es so gewohnt sind.

Instanzenmodell Freud: Das „ES“ mag keine Unlust

Verhaltenstherapie: Positive Verstärkung (Siehe dazu folgenden Blogeintrag):

https://www.psychotherapie-schuster.de/ueber-die-verstaerkung-der-angst-durch-vermeidungsverhalten/

Wenn wir etwas gewohnt sind, dass wir es so oder so tun und damit Erfolg haben (wenn auch nur vermeintlichen Erfolg), dann wiederholen wir die Sache, die Handlung etc.

„Die Auftretenswahrscheinlichkeit erhöht sich, weil ein positiver Reiz hinzu kommt“.

Dies nennt sich: Positive Verstärkung.

Im Klartext: Wenn ich die Arbeit (z.B. diesen Blog zu schreiben) auf nächste Woche verschiebe, dann habe ich mehr Zeit für mich, meine Hobbies, Bingewatching auf Amazon, XBOX zocken usw.

Aah, das tut gut, Glückshormone werden produziert (dazu gleich mehr).

Beim Fernsehen naschen, Gummibärchen, Chips und Co? Aah, Grinsen im Gesicht.

Statt Sport (viel zu anstrengend) doch noch zwei Folgen der Lieblingsserie? Juchhu, Freude.

Endlose Liste.

Das schlechte Gewissen welches dabei entsteht, wird gleich mal mit den entsprechenden Ausreden auf kindliche Art und Weise verdrängt (Abwehrmechanismen wie Regression und Verdrängung kommen zum Einsatz).

„Das kann ich auch nächste Woche machen“, oder „Das ist jetzt nicht so dringend“ etc.

Wenn es zum Beispiel jemand gewohnt ist, seit seiner Kindheit bei Konfrontation zu schmollen, dann wird er mit hoher Wahrscheinlichkeit auch als Erwachsener in der Beziehung schmollen, beleidigt sein, denn dann wird ihr Aufmerksamkeit geschenkt. Das kann so weit gehen, dass bei Vernachlässigung (also mangelnde Aufmerksamkeit in der Kindheit) sogar negative Aufmerksamkeit als wertvoll erachtet wird (z.B. Schimpfen, Hausarrest usw.). Wenigstens werde ich jetzt bemerkt. In einer späteren Partnerschaft, kann Streit, Widerspruch, Fremdgehen usw. irrtümlich dazu führen, dass sich jemand auf diese Weise geliebt vorkommt, er kennt es ja nicht anders.

Natürlich spielen in diesem extremen Beispiel auch noch andere Mechanismen eine Rolle (Bindungsverhalten, zyklisch maladaptives Muster etc.) aber davon handelt dieser Text nicht. Zurück zum Thema:

Jedes Verhalten, welches zum „vermeintlichen“ Erfolg führt, wird automatisch wiederholt.

Leider gilt aber auch die Regel: Was kurzfristig zum Erfolg führt, wirkt langfristig negativ.

Die Arbeit jetzt nicht machen, ein klärendes Gespräch nicht führen, mit dem Sport nächste Woche beginnen führt kurzfristig dazu, dass wir mehr Zeit für was auch immer haben, etwas unangenehmes vermeiden, aber langfristig wird es eine negative Konsequenz hervorbringen.

Wir werden träge, können keine Veränderung bewirken, die Arbeit nicht rechtzeitig abgeben usw.

Leider wird das Ganze auch noch von unserem Gehirn unterstützt, weil es dauerhaft Energie sparen möchte und zusätzlich bei positiven Handlungen Glückshormone produziert.

Das Gehirn macht ca. zwei Prozent des Körpergewichts aus und verbraucht dabei ca. ein Fünftel der Energie die uns z.B. über Nahrung zur Verfügung stehen.

Laut Suzana Herculano-Houzel (Professorin für Neurowissenschaften an der Vanderbilt University, Tennessee USA) verbrauchen eine Milliarden Nervenzellen ca. sechs Kilokalorien pro Tag (und wir haben ca. 100 Milliarden Nervenzellen). Wir verbrauchen also über 500 Kilokalorien pro Tag für unser Gehirn. Selbst wenn wir faul auf der Couch liegen, ist unser Gehirn aktiv und verbraucht dabei Energie. Je nach dem was wir machen und wie stark unser Gehirn beansprucht wird, steigt der Energieverbrauch um ca. fünf bis zwölf Prozent.

Quelle: https://www.dasgehirn.info/handeln/ernaehrung/das-gehirn-hat-immer-hunger

Das bedeutet, unser Gehirn versucht wann immer es möglich ist, Energie zu sparen. Deshalb kommen wir auch so schlecht von der Couch hoch, haben es schwer etwas zu beginnen. Irgendwo habe ich mal gelesen, dies hängt auch mit der frühzeitlichen Entwicklung des Menschen zusammen in der es galt, zwischen den Mahlzeiten Energie zu sparen, da wir nicht wussten wann es die nächste Nahrung geben wird (Jagderfolg etc.).

Dann noch die Glückshormone, an vorderster Front Dopamin und Endorphine, sogenannte Botenstoffe die u.a. für die Kommunikation unter den Nervenzellen benötigt werden.

Wenn wir etwas machen, was uns gefällt (Essen, Spielen, Fernsehen usw.) dann produziert unser Gehirn Dopamin. Wir fühlen uns glücklich. Folglicherweise möchten wir mehr Dopamin (also nicht wir sondern unser Gehirn), wir möchten diese Freude spüren, was dazu führt, dass wir die entsprechende Handlung wiederholen (auch wenn diese schädlich oder hinderlich ist). Dabei ist es nicht einmal wichtig, dass wir die entsprechende „Sache“ ausführen, schon der Gedanke daran erzeugt Glückshormone und Glücksgefühle.

Siehe dazu auch „Pawlowsche Hunde“ wo allein der Klang der Glocke (Konditioniert in Verbindung mit Nahrung) Dopamin und damit Speichelfluss erzeugte (Erwartungshaltung).

Wenn es zur Handlung kommt, dann sinkt der Dopaminspiegel und weicht den Endorphinen die unseren Körper sogar in einen Rauschzustand versetzen können.

Quelle: https://www.dasgehirn.info/krankheiten/sucht/dopamin-und-endorphin-stoffe-die-suechtig-machen

Wir kennen das, wenn es uns so gut schmeckt, dass wir sogar zum grunzen und stöhnen beginnen, oder total strahlen wenn wir in die Kuscheldecke eingehüllt die Fernbedienung in die Hand nehmen, oder die Freude wenn wir die Schokolade auspacken (da kommt dann auch noch die Aminosäure Tryptophan ins Spiel die Serotonin erzeugt, aber das sprengt jetzt den Rahmen). Weiter im Text:

Wenn sich unser Gehirn so wohl fühlt bei einer Sache, dann möchte es selbstverständlich mehr davon.

Ach tut das gut, wenn wir immer vom Gehirn sprechen dann können wir ja nichts dafür, ist ja unser Gehirn. Ihr erinnert euch? Abwehr? Regression und Verdrängung?

Allerdings führen diese Botenstoffe auch dazu, dass wir von manchen Substanzen schwer abhängig werden können. Denn leider hält dieser Glückszustand nicht lange an und die Begierde nach dem Glück fängt von vorne an.

Philosophisch gesehen ist Glück eine Zeit ohne Verlangen, ohne Bedürfnis, ohne Begierde aber nur von kurzer Zeit (frei zitiert nach A. Schopenhauer).

Zusammengefasst bedeutet das: Wir haben einen Auslöser (sog. Trigger) z.B. einen Streit, ein Problem, eine Arbeit die wir ausführen müssen, Konfrontation etc. Wenn wir die gestellte Aufgabe nicht durchführen und stattdessen eine Serie anschauen, etwas essen, trinken, dann bekommen wir dadurch Glücksgefühle und wir fühlen uns wieder gut (das ist die Belohnung, der positive Verstärker). Weil es sich gut anfühlt werden wir es wiederholen (Routine) und dadurch wird es zur Gewohnheit.

Jetzt dem Gehirn zu sagen: „Wir machen das jetzt anders“ ist ungefähr so, wie wenn wir ein Kind am Keks naschen lassen und den Keks dann einfach wegnehmen. Ihr könnt das ja mal versuchen, viel Spaß dabei.

Und die Lösung?

Es braucht einen Plan um die Trigger zu erkennen, eine alternative Handlung, alternatives Denken zu trainieren und damit den Weg zur Belohnung umzuprogrammieren.

Das gute Gefühl nach einem gesunden Essen, die Zufriedenheit nach dem Sport, nach dem erledigen einer Aufgabe.

Wie das geht? Die einen machen es einfach von allein, die anderen kaufen sich entsprechende Bücher, schauen Motivationsvideos auf YouTube oder, und da kommen wir Therapeuten ins Spiel, suchen sich professionelle Hilfe und gehen zur Therapie.

Das dabei Therapie nicht gleichgestellt ist mit „verrückt sein, Scheibe haben“ usw. könnt ihr gerne hier nachlesen:

https://www.psychotherapie-schuster.de/was-bedeutet-eigentlich-psychotherapie/

Manche Menschen brauchen einen Anreiz von außen, benötigen eine Kontrollinstanz oder eine Bestätigung usw. Dafür gibt es viele therapeutische Möglichkeiten (Gesprächs- oder Verhaltenstherapie, Verstärkung durch hypnotische Übungen etc.).

Letztlich ist es möglich, aber manchmal sehr schwierig diesen „inneren Schweinehund“ zu überwinden, aber ihr wisst ja: „Mein Gehirn ist Schuld, da kann ich nichts machen“ (sogenannter dysfunktionaler, nicht hilfreicher Glaubenssatz). Es gibt immer einen Weg aus der Gewohnheit.

Frei nach Goethe: „Es reicht nicht etwas zu wollen, man muss es auch tun.“

Und damit kommen wir zum Ende und ich zu meinen Glücksgefühlen.

Aah, endlich geschafft, endlich hingesetzt und den Bericht geschrieben, jetzt die Belohnung für mein Schaffen. Doch Vorsicht! Die Belohnung sollte eigentlich die Arbeit, die hilfreiche Handlung selbst sein (es tun zu können, die Möglichkeit haben) und die Belohnung danach (z.B. einen Kuchen essen, Serie schauen, Playstation zocken) ist das Sahnehäubchen. Arbeiten wir nur für die Belohnung, sorgt es letztendlich dafür, dass wir es ohne Aussicht auf Belohnung auch wieder nicht tun wollen. Ach ja, manchmal klingt das alles ganz schön kompliziert.

Macht es euch einfach und macht es einfach oder, für Freunde von chinesischen Sprichwörtern: „Mach es und die Sache ist getan“.

Ich bedanke mich bei Euch, für eure Geduld und euer Interesse beim Lesen und wünsche euch fröhliches, erfolgreiches und herzliches Schaffen. Habt Spaß und Freude an euren Ideen, seit kreativ und genießt euer Leben.

Euer Therapeut

Markus Schuster