Hallo zusammen,

heute möchte ich mich mit der Frage beschäftigen, was man unter Psychotherapie versteht.

Schauen wir uns das Ganze zuerst mal nüchtern an:

Psyche steht für Seele und Therapie für Behandlung. Also eine Behandlung der Seele.

Definition:

„Eine gezielte professionelle Behandlung psychischer, seelischer Störungen oder psychisch bedingter körperlicher Störungen mit psychologischen Mitteln.“

Über die vier in Deutschland von den Krankenkassen zugelassenen therapeutischen Möglichkeiten habe ich schon einmal berichtet unter folgendem Link:

https://www.psychotherapie-schuster.de/teil-1-ueber-die-ursachenforschung-nuetzlich-oder-hinderlich/

Eine weitere Definition wäre:

Psychotherapie ist die Gesamtheit der psychologischen Verfahren zur Heilung oder Linderung von Störungen im psychischen Bereich, in den sozialen Beziehungen, im Verhalten oder auch in bestimmten Körperfunktionen.

Wer darf Psychotherapie ausüben?

Nach rechtlicher Regelung (Psychotherapeutengesetz) ist Psychotherapie in Deutschland erlaubt durch Ärzte mit entsprechender Zusatzqualifikation, Fachärzte für Psychosomatische Medizin und Psychiatrie und Psychotherapie, sowie Psychologischen Psychotherapeuten (Psychologe mit Diplom- oder Masterstudium in Psychologie mit drei Jahren Vollzeitausbildung oder fünfjähriger Teilzeitausbildung zum psychologischen Psychotherapeuten).

Nach dem Heilpraktikergesetz sind ebenfalls berechtigt zu Ausübung von Psychotherapie, Heilpraktiker sowie Heilpraktiker für Psychotherapie. Hier gilt besonders die sogenannte Sorgfaltspflicht, d.h. HP u. HP Psych. dürfen nicht einfach nur Psychotherapie aufgrund der Heilpraktikerausbildung ausüben, sondern müssen dementsprechende Zusatzqualifikationen nachweisen können z.B. Ausbildungen zur Gesprächstherapie, Verhaltenstherapie, Traumatherapie usw. Leider versäumt es hier der Gesetzgeber die Anforderungen noch höher anzusetzen und auch zu überprüfen. So könnte z.B. für Heilpraktiker und HP Psych. als Qualifikation eine zweijährige Ausbildung in einem psychotherapeutischen Institut verlangt werden, oder zumindest der Nachweis eines z.B. 2 Jahre Praktikums bei einer entsprechenden Institution. Allerdings erhöhen sich dadurch nicht nur die Kosten einer Ausbildung, sondern die Qualifikation, die Fähigkeiten würden sich durch solch eine Ausbildung ebenfalls verbessern, was es den Krankenkassen wiederum schwer machen würde, weiterhin die Bezahlung von Behandlungen durch HP und HP Psych. zu verweigern. Aber das ist ein anderes Thema.

Beratungsgespräche, Seelsorgegespräche oder Coaching werden nicht als Psychotherapie eingestuft.

Häufig überschneiden sich die Tätigkeiten von z.B. Beratungsgespräche und Psychotherapie, deshalb gibt es bestimmte Richtlinien was nicht als Psychotherapie gilt. Wenn z. B. keine Störungen oder Krankheiten beeinflusst werden, wenn keine Diagnose angewandt werden, wenn Ziele nicht festgelegt werden usw.

Soviel mal zum rechtlichen Rahmen. Natürlich könnten wir jetzt noch tiefer in die jeweiligen Definitionen gehen, aber das möchte ich hier nicht. Wer es mal genauer nachlesen möchte, kann dies z.B. unter den folgenden Links:

https://de.wikipedia.org/wiki/Psychotherapie

https://www.psychotherapiesuche.de/pid/therapie

Aber was bedeutet denn jetzt Therapie der Seele?

Viel zu häufig wird Psychotherapie gleichgestellt mit „verrückt“ sein, oder man hört Sprüche wie „ich habe doch keinen an der Waffel, ich bin doch nicht behindert“ und ähnliches. Mit all dem hat es tatsächlich nichts zu tun.

Wer in seinem Erleben und/oder Verhalten starke Abweichung im Vergleich zu gesunden Menschen zeigt (was auch immer die Definition von „gesund“ ist), wenn das Denken, Fühlen und Handeln mit starker Abweichung gekennzeichnet ist, so dass Betroffene ihr alltägliches Leben nicht mehr oder nur bedingt ausüben können und/oder eine Fremd- oder Eigengefährdung vorliegt, dann ist es meist sehr hilfreich, wenn solch starke Veränderungen stationär (z.B. Psychiatrie, Bezirkskrankenhaus) behandelt werden, oder bei weniger ausgeprägten Symptomen auch ambulant. In beiden Fällen (stationär, ambulant) gilt meist als Mittel der Wahl eine Kombination aus Psychopharmaka und Psychotherapie.

Jedoch sind Behandlungen, oder im alltäglichen Sprachgebrauch ausgedrückt, Behandlung von Menschen die „Mitten im Leben stehen“ noch definierter zu sehen.

Psychotherapie im allgemeinen Sinn ist eher zu verstehen als Hilfestellung, als Weiterentwicklung, als Möglichkeit sich in seinem Denken, Fühlen, Empfinden und Verhalten besser zu verstehen. Sich selbst erkennen, Möglichkeiten zur Veränderung, zur Verbesserung wahrzunehmen. Bestehende Herausforderungen und Probleme mit einem Menschen (TherapeutInn) zu besprechen, der idealerweise vollkommen wertungsfrei ist, Hilfestellung bietet um sich selber besser zu erkennen, zu fühlen, Lösungen wahrzunehmen und anwenden zu können.

Sicher nennen wir gewisse Denk- und Handlungweisen eine „Störung oder Krankheit“ (Angststörung, Zwangsstörung, Traumaerkrankung, Depressive Störung usw.) und die Ursachen können sehr vielseitig sein (Neurobiologisch, Körperlich, Hormonell, Genetisch etc.).  Wir könnten jedoch auch sagen, das Denken, Fühlen, Empfinden und Verhalten ist vom hilfreichen Weg abgekommen.

Gewisse Muster wurden uns anerzogen, haben wir im Laufe unserer Entwicklung erworben, übernommen, wurden uns vielleicht sogar genetisch übertragen.

Siehe auch:

https://www.psychotherapie-schuster.de/ueber-die-genetische-vererbung-von-angststoerungen/

Oft sind die Ursachen auch aus der Lebensgeschichte heraus entstanden (z.B. Situationsbedingte Depression). Menschen werden konfrontiert mit Situationen die nicht mehr selbständig bewältigen werden können, stehen vor Herausforderungen die unmöglich erscheinen, haben panische Ängste die unüberwindbar scheinen. Oft ist es hierbei sehr hilfreich, eine Therapie, eine Behandlung der Seele zu beginnen. Selbstverständlich muss eine fachgerechte Anamnese (Erstaufnahme-, interview, systematische Befragung) durchgeführt werden, eine Diagnose erstellt werden, ein Plan geschmiedet und begründet werden weshalb dieses oder jenes Vorgehen ratsam erscheint. Ziele müssen definiert werden, die Durchführung geübt werden (in sensu und vivo also in der Vorstellung und in der Realität) usw. Psychotherapie bedeutet auch, nach einem beweglichen Plan (der sich je nach Entwicklung auch wieder ändern kann) eine bestimmte Vorgehensweise, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen.

Dazu braucht es nicht unbedingt eine Krankheit oder Störung. Das kann auch eine Entscheidungsfrage im Leben sein, ein Beziehungsproblem, ein Unwohlsein vor Situationen welches nicht beherrscht wird so dass es einen hemmt (z.B. Prüfungsangst), eine Niedergeschlagenheit, oder einfach keinen Bock mehr (salopp ausgedrückt). Vieles kann in einer Therapie besprochen und verändert werden. In solchen Fällen kann Psychotherapie ein Anstoß sein, ein großes Beginnen, der erste Schritt in ein neues Ich.

Und wenn wir Psychotherapie als etwas Selbstverständliches erkennen, als etwas sinnvolles, für das es auch im ersten Moment, für den ersten Schritt viel Mut braucht, dann kann Therapie in unserem Leben etwas sehr wertvolles sein. Und wenn etwas wertvoll ist, dann können wir auch darüber reden, dann kann jemand auch frei sagen „ich gehe zur Therapie“ und muss sich nicht verstecken, denn die anderen könnten ja meinen ich sei verrückt. Dann wäre Therapie vollkommen normal, so wie Knieschmerzen, Rückenschmerzen, Bandscheibenschmerzen, über die sprechen wir ja auch ganz normal, im Café, bei Freunden, im Restaurant. Nur bei Psychotherapie da tuscheln wir leise, oder sagen gar nichts, da schämen wir uns sogar ein wenig. Über unseren faulen Zahn da halten wir Vorträge, aber über unsere Ängste da schweigen wir.

Psychotherapie (und natürlich auch viele andere Bereiche wie Medizin, Umwelttechnik usw.) befindet sich in einer stetigen Entwicklung, wir Menschen entwickeln uns (mal mehr und mal weniger), unsere Bewertungen entwickeln sich. Früher oder später werden wir lernen, immer offener über eine Therapie zu sprechen.

So, ich hoffe ich konnte wieder etwas anregen, etwas zum Nachdenken geben und bedanke mich natürlich wie immer bei Euch, für eure Geduld und euer Interesse beim Lesen und wünsche euch fröhliches, erfolgreiches und herzliches Schaffen. Habt Spaß und Freude an euren Ideen, seit kreativ und genießt euer Leben.

Euer Therapeut

Markus Schuster