Hallo zusammen,

heute geht es um die Zwangsstörung.

In meinem Bericht https://www.psychotherapie-schuster.de/eine-geschichte-ueber-die-zwangsstoerung/ habe ich die mögliche Entstehung von Zwangsstörungen, anhand einer fiktiven Geschichte, näher gebracht.

Heute geht es um die Entstehung und Aufrechterhaltung aus psycho- bzw. verhaltenstherapeutischer Sicht. Wie immer gilt, dass dieser Beitrag nur zum Teil die Entwicklung einer solch komplexen Störung wiederspiegeln kann.  Viel Spaß beim Lesen.

Und los geht´s.

Bei Zwangsstörungen besteht ein wiederkehrender innerer Drang bestimmte Dinge zu denken und/oder zu tun.

Dabei gibt es Zwangsgedanken, -handlungen und -impulse. Aber ab wann sind diese Gedanken u. Handlungen zwanghaft? Es heißt, dass auch „gesunde“ Menschen Zwänge haben. Es ist also ganz normal, wenn ihr euch mal umdreht und überprüft ob ihr die Haustüre auch wirklich zugesperrt, den Ofen wirklich ausgemacht, das Fenster tatsächlich geschlossen habt.

Hinderlich wird es allerdings, wenn die Symptome, das Verhalten einen Krankheitswert erreichen, so dass eine Person in ihrem gesamten Denken, Handeln und sozialen Verhalten beeinträchtigt wird.

Die Gedanken und Verhaltensweisen wiederholen sich derart häufig, dass es zu einer großen Beeinträchtigung u.a. im sozialen Leben führt.

Aktuelle Erklärungsmodelle gehen dabei immer noch von der klassischen und operanten Konditionierung aus.

Siehe dazu:

https://www.psychotherapie-schuster.de/ueber-das-reiz-reaktions-schema/

und

https://www.psychotherapie-schuster.de/ueber-die-verstaerkung-der-angst-durch-vermeidungsverhalten/

Einfach erklärt, wird eine neutrale Situation, durch einen Angstauslöser zu einer „gefährlichen“ Situation mit einer erlernten Reaktion.

Wenn jemand versucht, eine Angstreaktion durch Handlungen (Rituale) zu vermeiden bzw. zu reduzieren und wenn dies gelingt, wenn auch nur für einen Moment, dann werden die Handlungen mit hoher Wahrscheinlichkeit wiederholt angewandt.

Man spricht hier von „Negativer Verstärkung“.

= Die Auftretenswahrscheinlichkeit, dass eine bestimmte Handlung wiederholt wird, erhöht sich, da ein negativer Reiz (die Angst) wegfällt.

Wenn ich also zum wiederholten Male meine Autotür überprüfe, ob diese auch wirklich abgeschlossen ist, dann wird das negative Gefühl (die Angst, dass etwas passieren könnte) geringer und auch die körperliche Spannung, das Unwohlsein vermindert sich (leider meist nur für den Augenblick, bis zum nächsten Szenario).

Zwangsstörungen beginnen in der Regel in der Kindheit bzw. im frühen Erwachsenenalter. Aber auch im höheren Erwachsenenalter können Erfahrungen und Erlebnisse zu Zwangsverhalten führen. Allerdings sind die später erworbenen Störungen meist nicht so tiefsitzend, nicht chronisch und können in der Regel leichter behandelt werden (aber ihr wisst ja, in der Regel ist in der Regel falsch…).

Weitere Ansätze gehen davon aus, dass bei Patienten mit Zwangsstörungen Defizite in der Informationsverarbeitung und den dysfunktionalen (negativen) Überzeugungen vorliegen (s.a. Taylor et al., 2006 und Clark, 2004).

Des weiteren gibt es das Modell von Salkovskis (1996) in Bezug auf frühere Arbeiten von Rachman (Rachman und de Silva, 1978).

Hier wird erklärt, dass sich die aufdrängenden Gedanken (Intrusionen) von Personen ohne Zwangsstörungen nicht von Patienten mit Zwängen unterscheiden.

„Gesunde“ Menschen haben ebenfalls aufdrängende Gedanken, bewerten sie aber nicht als bedrohlich und wenn doch, dann nur kurzfristig. Sie müssen also nichts dagegen unternehmen oder werden eher noch zu sinnvollen Lösungsansätzen ermutigt.

Zwangshandlungen sind die Folge von sich aufdrängenden Gedanken, die von Betroffenen als bedrohlich oder unakzeptabel interpretiert werden. Gleichzeitig wird eine Verantwortung für die Bedrohung bzw. deren Abwendung empfunden. Als Folge kommt es zu Verhaltensweisen (wiederholten Handlungen) die die negativen Emotionen (Gefühle), welche durch die Intrusionen entstehen, verhindern sollen.

Es gilt, die als gefährlich empfundenen Situationen und die dadurch angenommenen Katastrophen zu verhindern. Es kommt folglich zu den Zwangshandlungen, die bei kurzfristigem Erfolg (Minderung der angstbesetzten Gedanken und körperlichen Symptome = Negative Verstärkung) regelmäßig wiederholt werden. Durch den kurzfristigen Erfolg, kommt es zu wiederholten Zwangshandlungen die zur Aufrechterhaltung der Zwangsstörung führen und eine Überprüfung der Situation und ein Umlernen verhindern.

Zu guter Letzt, gibt es noch auf Salkovskis (der die Bedeutung der Verantwortlichkeit betont) aufbauende Modelle (z.B. Frost und Steketee, 2002). Hier geht es um die Überschätzung der Bedeutung von Gedanken, die Überschätzung von Gefahren, das Streben nach Perfektionismus, die Intoleranz gegenüber Ungewissheit sowie der Glaube an die Möglichkeit und Notwendigkeit der Kontrolle über die Gedanken (vrgl. Freeston et al., 1996; Taylor et al. 2006).

Diese Modelle führten dazu, dass kognitive Therapiemethoden Einzug in die Behandlung von Zwangsstörungen fanden.

Als Mittel der Wahl gelten bei Zwangsstörungen (wie u.a. auch bei Angststörungen) verhaltenstherapeutische Interventionen wie „Exposition mit Reaktionsmanagement“ und die „Kognitive Umstrukturierung“ (KUS).

Mittels Hypnose können die Erfolge und Veränderungen durch die erwähnten Therapiemethoden verstärkt und verankert werden.

Puh, jetzt reicht es aber.

Ich hoffe ich konnte Euch die Entstehung und Aufrechterhaltung von Zwangsstörungen etwas näherbringen.

Der Text ist für einen Blogeintrag mal wieder etwas länger geworden als geplant, allerdings sind solch komplexe Themen nicht einfach mal so in ein paar Zeilen erklärt.

Ich bedanke mich heute deshalb besonders bei Euch, für eure Geduld und euer Interesse beim Lesen und wünsche euch fröhliches, erfolgreiches und herzliches Schaffen. Habt Spaß und Freude an euren Ideen, seit kreativ und genießt euer Leben.

Euer Therapeut

Markus Schuster

Literaturverzeichnis:

Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (S3-Leitlinie Zwangsstörungen; AWMF-Registernummer 038/017).

Lernskript; Psychotherapeutische Störungsbilder, ICD-10; F42 Zwangsstörungen, Vital-B-Well; Schuster Markus.